Es gibt eine Redensart: „Auf den Kontext kommt es an.“ Zitate, Ereignisse, Handlungen oder allgemein Reize können nicht isoliert betrachtet werden. Sie werden vielmehr in einem Zusammenhang – in ihrem Kontext – interpretiert. Dies wird auch im Extinktionslernen deutlich, wo beim kontextuellen Renewal eine eigentlich extinguierte Reaktion wieder auftritt, wenn der Kontext geändert wird.
Aber was genau ist Kontext? In einer gerade veröffentlichten Studie haben Forschende des SFB 1280 untersucht, wie konkurrierende Reize während des Extinktionslernens bei Tauben (Columba livia) kontextuelles Renewal hervorrufen. Mit einem modifizierten ABA-Paradigma (siehe unten) in dem das räumlich-zeitliche Auftreten des Kontextreizes manipuliert wurde, konnten Peschken et al. zeigen, dass unter bestimmten Bedingungen selbst kleine lokale Reize die stärkste kontextuelle Erneuerung des Ursprungsverhaltens bewirkten.
Dieses Ergebnis stellt Definitionen von Kontext als „eine Kulisse, in der Lernen stattfindet“ in Frage. Die Forschenden schlagen nun basierend auf diesem Ergebnis vor, dass Kontext als eine gelernte Reizeigenschaft verstanden werden kann. D.h., dass der Kontext nicht durch die Umgebung vorgegeben ist, sondern dass Kontext aktiv erlernt wird.
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ABA Paradigma:
A: Die Tauben lernen Stimulusassoziationen unter lokalen und globalen Kontextfaktoren.
B: Extinktion der gelernten Assoziationen unter neuen lokalen und globalen Kontextfaktoren.
A‘: In der Renewalphase wird nun einer der beiden möglichen Kontextreize (lokal/global) in seiner ursprüngliche Konfiguration vor der Extinktion präsentiert , während der andere Stimulus so bleibt, wie er während der Extinktion war. Dieser „Wettbewerb“ zwischen den verschiedenen Kontextreizen ermöglicht einen Vergleich des kontextuellen Renewals zwischen den verschiedenen Arten von Kontexten.
Einblick in den Versuchsaufbau:

A Versuchsaufbau. Die Tauben befanden sich in einer Arena mit farbig beleuchteten Bereichen und geometrischen Formen auf Bildschirmen als Orientierungshilfen. Die Tiere reagierten auf kleine Touchscreens am Boden und erhielten dort auch automatisch ihre Belohnungen.
B Versuchsablauf. Nach einem ersten Klick wurden den Tauben zwei Auswahlmöglichkeiten gezeigt: ein positives Signal (S+) und ein negatives Signal (S-). Picken auf das positive Signal wurde durch Futterpellets belohnt, Picken auf das negative Signal blieb unbelohnt.
C Lern- und Extinktionsverfahren. In der ersten Lernphase (Kontext A) befanden sich die Tiere an einem zufällig gewählten Ort mit weißem Bildschirmhintergrund. In der Extinktionsphase (Kontext B) wechselten sie den Ort und die Bildschirmfarbe (hier gelb). Bei der abschließenden Testphase wurde entweder der ursprüngliche Lernort mit der neuen Bildschirmfarbe oder der neue Ort mit der ursprünglichen Bildschirmfarbe verwendet.