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Es brodelt in der Großhirnrinde

Warum neigen wir beim Küssen unseren Kopf nach rechts? Können Frauen wirklich schlechter einparken als Männer? Und was bestimmt die Leistung unseres Gehirns: die Gene, Bildung und Kultur oder gar die Hormone? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Onur Güntürkün im Podcast von hr-iNFO.

Von Christoph Scheffer

Schon als Kind wollte Onur Güntürkün die Gesetze des Lernens und Denkens verstehen. Und so fing er im Garten kleine Rüsselkäfer und ließ sie durch selbstgebastelte Labyrinthe spazieren, um ihre Fortschritte zu untersuchen. „Eigentlich mache ich heute immer noch das Gleiche – nur mit verbesserten Ressourcen“, sagt Güntürkün. Der 61-Jährige ist Professor für Biopsychologie an der Ruhr-Universität Bochum.

Nach den Käfern kamen die Delfine und heute sind es vor allem Tauben, mit denen er experimentiert. Weil sie dem Menschen ähnlich und in vielen Dingen auch wieder ganz anders seien, könne man an Tauben besonders gut die Grundlagen menschlichen Denkens studieren. „Unser Denken ist nämlich längst nicht so brillant und gradlinig, wie wir glauben“, weiß Güntürkün. Und er lädt alle ein, das eigene Denken zu beobachten. „Da gehen Bilder, Gesten und Sätze chaotisch durcheinander. Es brodelt in unserer Großhirnrinde.“

Von Vorurteilen und Hormonen

Natürlich untersucht Güntürkün die Leistungen des Gehirns auch am Menschen – und hat dabei immer wieder ungewöhnliche Ideen. So ließ er auf dem Uni-Parkplatz mehrere Schrottautos aufstellen, um dazwischen mit Männern und Frauen das Einparken zu üben. Ergebnis: Frauen sind – wie das Vorurteil behauptet – tatsächlich schlechter als Männer, woran aber im Wesentlichen das Vorurteil selbst schuld sei, sagt Güntürkün. Außerdem spielen offenbar Hormone eine Rolle.

Auf Flughäfen beobachtete der Psychologe, wie sich Menschen bei Abschied und Wiedersehen küssen und stellte fest: Sie neigen dabei den Kopf nach rechts, um nicht mit den Nasen zusammenzustoßen – und nicht nach links. Das habe mit den unterschiedlichen Funktionen der beiden Hirnhälften zu tun. In Izmir geboren, erkrankte Onur Güntürkün früh an Kinderlähmung und kam zur Behandlung nach Deutschland, wo sein Onkel wohnte. Bis heute sitzt er im Rollstuhl. „Ein Ärgernis, aber kein Hinderungsgrund für 90 Prozent der akademischen Karrieren“ sagt er. Ob es ein Ärgernis oder Hinderungsgrund ist, hänge ohnehin von einem selbst ab, sagt Güntürkün.